Das Wandern ist des Zugschlus' Lust. Oder, naja.
Samstag ist jetzt nicht ganz so bahnsch, aber ich erzähle ihn Euch trotzdem. Fachlich habe ich an diesem Tag ein wenig mit dem Nitrokey und GnuPG-Subkeys gespielt und sehr viel mehr Plan darüber gewonnen, wie ich Key, Revocation Certificate etc auf Papier speichern und danach wieder in den Rechner zurückholen kann. Darüber muss ich noch ein wenig pondern, bevor ich bloggen kann.
Ich schlafe bis halb acht aus, arbeite noch ein wenig auf dem Zimmer, gehe schließlich frühstücken und setze mich dann mit Bahnblick in die Gaststube. Die andere Richtung ist heute leider unspektakulär, es hat zugezogen, regnet ein wenig, und man sieht nichts.
Gegen halb elf wird das Wetter besser: Man kann die andere Talseite und den Bahnhof Cavaglia sehen, Sonne ist immer noch keine da, aber herrjeh. Ich entscheide, wenigstens ein wenig Bergdingens zu betreiben und frage den Wirt, wie lange der Fußweg für einen Ungeübten bis Cavaglia ist ("Stunde, Stunde Viertel") und ob meine Schuhe geeignet wären ("Es hat nicht so schlimm geregnet, das wird gehen"). Also mache ich mich auf den Weg.
Der Fußweg nach Cavaglia kreuzt die Bahnlinie nur zweimal; einmal auf Höhe des südlichen Einfahrsignals von Alp Grüm, einmal an der "neu" (lies: vor zwanzig Jahren) eingerichteten Kreuzungsstelle Stablini, die Alp Grüm der Kreuzungen der Taktzüge beraubt hat. Dort fahren mir auch tatsächlich direkt zwei Züge vor die Linse der Handykamera (die "richtige" Kamera hatte ich dummerweise auf der Alp vergessen), leider der erste auf das vordere Gleis. Nachdem ich zwei Downhillradler vorgelassen habe (die direkt vor dem anfahrenden Zug über den Bahnübergang gejuchtet sind), laufe ich weiter. Der Weg ist mit großen Steinen durchsetzt, die auf der einen Seite Halt geben, auf der anderen Seite aber dafür sorgen, dass man genau hingucken muss, wo man hintritt.
Cavaglia erreiche ich nach 45 Minuten. Nach einem kurzen Ausflug zum Kraftwerk (wo es wirklich nichts zu sehen gibt), sehe ich in der Ferne den Zug ins Tal abfahren. Weiterlaufen erscheint mir reizvoller als eine Stunde auf den nächsten zu warten, und so laufe ich weiter. Bis Poschiavo sollen es laut der Ausschildung (Alp Grüm 1 1/4) 90 Minuten sein. Also auf.
Das erste Stück hinter Cavaglia ist deutlich steiler als der Abstieg von Alp Grüm. Ich bin langsamer als auf dem ersten Stück, muss noch genauer darauf achten, wo ich hintrete. Auf einer größeren Steinfläche rutsche ich aus und knalle aufs Knie. Hose zwar nicht kaputt, aber dreckig und nass, Knie heil. Wird halt 'nen bauen Fleck geben. Ich ändere meine Trittstrategie und versuche möglichst Waldboden unter den Füßen zu haben, jedenfalls dort, wo ich die Steine nicht als Treppenstufen brauche.
Ist ja beim Überqueren von Bahngleisen auch so: Schienen und Schwellen sind potenziell glatt, also immer brav auf den Schotter treten.
50 Minuten nach Abmarsch in Cavaglia erreiche ich den Bahnhof Cadera, der es den Zügen erlaubt, zwischen Cavaglia und Poschiavo noch einmal zu kreuzen. Ich entscheide, meinen mit Bedacht bis Poschiavo ausgestellten Sparpreis Europa zuende auszufahren. Der Zug, den ich auch in Cavaglia hätte erreichen können, kommt in 13 Minuten. Außer mir warten noch zwei andere Fahrgäste, ein älteres Ehepaar. Er raucht. Zigarillos. Natürlich muss mir das passieren, mitten in der Pampa auf einem Bahnhof, der vermutlich zehn Fahrgäste am Tag hat, angeraucht zu werden. Grrr.
Ich laufe weit nach vorne und habe tatsächlich im führenden Triebwagen des Zuges bis Poschiavo meine Ruhe. Zwischen Privilasco und Poschiavo laufen die Arbeiten für eine Neutrassierung in Doppelspur (vermutlich als Vergrößerung des Bahnhofs gedacht), so dass teilweise drei Gleise liegen. Das ist eine gute Maßnahme, muss doch der bergwärts fahrende Zug in Poschiavo regelmäßig auf den talwärts fahrenden Zug warten.
In Poschiavo steige ich aus, suche mir ein bezahlbares Restaurant und esse dort einen ganz ein bisschen zu kross gebackenen Elsässer Flammkuchen. Danach wird der eigentliche Zweck des Ausflugs erfüllt und im bahnhofsnahen Coop-Markt Flüssigkeit, Esswaren für die Rückfahrt und Schokolade für die @Zugschlusine eingekauft. Da von den 2 GB Lycamobile-Trafficvolumen bisher nur 400 MB durchgelaufen sind, entscheide ich mich gegen den Kauf von neuem Guthaben. lycamobile, das hätte Euer Umsatz sein können, wenn die Kreditkartenaufladung aus Deutschland geklappt hätte.
Bergwärts befördert mich dann wieder eine Allegra, der Zugbegleiter läuft zwar "Billette ab Poschiavo bitte" murmelnd an mir vorbei und kontrolliert die anderen Fahrgäste in der 16er-Gruppe, mich jedoch nicht. Nun ja, mir auch recht, auf der Rückfahrt meines Sparpreis Europa keinen Zangenabdruck von einem anderen Tag als dem "großen" Reisetag auf der Fahrkarte zu haben. Ich bemerke, dass noch ein Blocksignal auf der Strecke von Poschiavo bis Cadera ist. Damit sollte man unter Inkaufnahme eines Hinketakts pro Stunde vier Züge in Lastrichtung und zwei Züge entgegen der Lastrichtung durchbekommen; bei "geradem" Takt ist ein strenger Zwanzig-Minuten-Takt ohne große Reserven machbar.
Wieder auf der Alp angekommen, stelle ich mich erstmal unter die Dusche, genehmige mir neue Klamotten, arbeite noch ein bisschen und gehe dann Abendessen. Danach spüle ich den Dreck vom Sturz aus der Hose und hänge sie an den Badezimmerheizkörper. Und ich glaube, es ist gerade halb zehn, als ich mich schlafen lege. Wecker auf halb sieben, damit es am Montag morgen nicht all zu schwer wird.
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